Risiken im Außenhandel: Was dem Mittelstand bei der Internationalisierung hilft

Die USA schotten sich ab, Handelskonflikte drohen, die Konjunkturprognosen weltweit sind pessimistisch. Daher überrascht es nicht, dass mittelständische Unternehmen aus Deutschland ohne Exporterfahrungen Risiken im Auslandsgeschäft als sehr hoch einschätzen. Doch die Realität von Unternehmen mit Exporterfahrung sieht in der Regel viel positiver aus, wie eine Studie der Commerzbank ergab. Ein Abgleich von Befürchtungen und tatsächlichem Zustand könnte noch mehr Unternehmen aus dem Mittelstand den Weg ins lukrative Auslandsgeschäft ermöglichen.

Deutschland ist zwar nicht mehr Exportweltmeister, aber der Internationalisierungsgrad deutscher Unternehmen – und vor allem auch des Mittelstands – ist hoch. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der kleinen und mittleren Firmen (KMU) hierzulande ist auf internationalem Parkett tätig. Seit zwölf Jahren ist dieser Wert nahezu konstant – der internationalen Finanzkrise und den aktuellen Handelskonflikten zum Trotz. Dies sind Ergebnisse der aktuellen Studie „Wie sicher sind die Märkte? Risiken managen im internationalen Geschäft“, die für die Commerzbank-Initiative „Unternehmerperspektiven“ erstellt wurde.

Studie Internationalisierung

VON ARDENNE: Weltweites Wachstum für mehr Kundennähe

Ein Vertreter des erfolgreichen, weltweit agierenden Mittelstands ist Christian Knechtel, CEO der VON ARDENNE GmbH in Dresden. Das Unternehmen ist Weltmarktführer für die Entwicklung und Produktion von Anlagen zur industriellen Vakuumbeschichtung von Materialien. „Für uns ist Kundennähe entscheidend, um schnell und unkompliziert Service und Upgrades zur Verfügung zu stellen. Deshalb wachsen wir weltweit.“, sagt Knechtel, der mit 700 Mitarbeitern 90 Prozent des Jahresumsatzes von 200 Millionen Euro im Ausland erwirtschaftet.

Außenhandel auch von Branche und Größe abhängig

Damit gehört VON ARDENNE zum großen Mittelstand (mehr als 100 Millionen Euro Umsatz). Bei Firmen dieser Größenordnung und den mittelgroßen (zwischen 15 Millionen und 100 Millionen Euro Umsatz) sind mit mehr als zwei Drittel sogar überdurchschnittlich viele im Außenhandel oder Auslandsgeschäft tätig. In Ostdeutschland sind im Durchschnitt nur 36 Prozent aller Unternehmen international aktiv. Deutschlandweit liegen Baden-Württemberg (61 Prozent) sowie Rheinland-Pfalz und das Saarland (jeweils 60 Prozent) vorn. Auch bei den Branchen gibt es sehr starke Unterschiede beim Anteil der Außenhandelsgeschäfte. Der liegt zwischen 26 Prozent im Einzelhandel und 89 Prozent in den Bereichen Maschinenbau sowie Chemie/Pharma.

Vertrauen in einige Länder schwindet

Zu den wichtigsten politischen Risiken im Außenhandel, die negative Auswirkungen auf den Mittelstand haben können, zählen für KMU außer den globalen Handelskonflikten (47 Prozent) auch die Politik der USA (42 Prozent) und der Brexit (35 Prozent). Und das alles hat auch Folgen für einige Länder. So bewerten 30 Prozent der mittelständischen Unternehmen die Rahmenbedingungen in China mit sehr gut oder gut. Über die USA sagen das nur 17 Prozent. Großbritannien ist mit 8 Prozent sogar noch hinter Russland mit 10 Prozent zurückgefallen.

Immer mehr Unternehmen lehnen Auslandsgeschäfte ab

Im Vergleich der Commerzbank-Studien zur Internationalisierung des Mittelstands aus den Jahren 2007, 2013 und 2019 zeigt sich eine eindeutige Entwicklung: Die Zahl der Unternehmen, für die Auslandsgeschäfte nicht infrage kommen, hat sich kontinuierlich erhöht. Sie ist von 24 Prozent in 2007 auf 42 Prozent in 2019 gestiegen – fast eine Verdoppelung. Ein Grund für diese Entwicklung könnte die große Diskrepanz sein zwischen den Befürchtungen von Unternehmen, die nicht international tätig sind, und den tatsächlichen Risiken im Auslandsgeschäft.

Welche Risiken im Außenhandel überschätzt werden

Das internationale Geschäft gleicht mitunter einem Crosslauf durch unbekanntes Gelände: Zwar gibt es immer wieder Abschnitte, auf denen man gut vorankommt, dennoch ist so manche Hürde zu überwinden. Einige sind erwartbar, andere kommen eher überraschend. Das hat auch die aktuelle Commerzbank-Studie gezeigt. So sind bürokratische Anforderungen (77 Prozent) das größte Hindernis für mittelständische Exporteure im internationalen Geschäft, fehlende Fachkräfte in Deutschland (71 Prozent) und politische Unberechenbarkeit oder Instabilitäten im Ausland (68 Prozent) folgen auf Platz 2 und 3.

Positiv: Wer vorwiegend innerhalb der Europäischen Union (EU) tätig ist, hat mit einigen Problemen nichts mehr zu tun. Zum einen entfallen die Einfuhrzölle, zum anderen die Währungsrisiken – zumindest innerhalb des Euroraums. Letztere bewerten 53 Prozent der Unternehmen mit Außenhandelsgeschäft als Risiko. Etwas höher liegt der Anteil derer, die Preisschwankungen bei Rohstoffen als Risiko im Außenhandel sehen (57 Prozent).

Zur Risikoabsicherung bietet die Finanzbranche eine Vielzahl von Instrumenten. Die Commerzbank als eines der erfahrensten Geldhäuser im Auslandsgeschäft hält eine breite Produktpalette und Informationen zum Auslandsgeschäft bereit. Auch für die bürokratischen Anforderungen – immerhin das größte Problem deutscher Unternehmen – gibt es entsprechende Lösungen.

Angst und Wirklichkeit – Welche Probleme wirklich drohen

Einige Unternehmen sehen eigentlich genügend Potenzial, um im Ausland Produkte oder Dienstleistungen zu vertreiben, dennoch scheuen sie den dortigen Markteintritt. Die Commerzbank-Studie hat eine Vielzahl von Indizien dafür geliefert, woran das liegen könnte. Besonders auffällig: Nicht-Exporteure bewerten manche operativen Probleme stärker als die Mittelständler, die tatsächlich vor Ort sind. Hier einige Beispiele: Während 62 Prozent der Unternehmen mit ungenutztem Exportpotenzial höhere Ausfallrisiken bei Kunden erwarten, erleben dies nur 38 Prozent der Exporteure tatsächlich in der Praxis. Auch bei Finanzierungen von Direktinvestitionen rechnen Mittelständler ohne Auslandserfahrung mit Problemen (54 Prozent), in der Praxis befürchten dies aber lediglich 16 Prozent. Beim Schutz des geistigen Eigentums klafft eine Lücke von 29 Prozentpunkten zwischen Angst vor der Bedrohung (70 Prozent) und wirklicher Gefahr (41 Prozent).

Kammern, Verbände und Banken können helfen

Bei drei von vier der am häufigsten von Nicht-Exporteuren genannten Risiken kann externe Unterstützung Abhilfe schaffen. Das gilt sowohl für bürokratische Anforderungen als auch für klassische Bankthemen wie das Managen von Ausfallrisiken oder das Finanzieren von Investitionen. Außer Handelskammern und Verbänden zählen sicherlich Geldhäuser zu den wichtigsten Ansprechpartnern beim Auslandsgeschäft. Letztere sind zudem Experten auf dem Gebiet der Risikominimierung von Rohstoffpreisen oder Währungen.

Für die Commerzbank-Studie wurden Führungskräfte der ersten Ebene von 2.000 Unternehmen in Deutschland mit einem Jahresumsatz von mindestens 2 Millionen Euro befragt.


Interview Christian Knechtel, CEO VON ARDENNE


„Wir brauchen einen Bankpartner, der unser Geschäft versteht“

Das Dresdner Unternehmen VON ARDENNE ist Weltmarktführer beim Anlagenbau für die industrielle Vakuumbeschichtung. Mit weltweit rund 700 Mitarbeitern wird ein jährlicher Umsatz von etwa 200 Millionen Euro erzielt. Mehr als 90 Prozent davon werden im Ausland erwirtschaftet. Im Interview sagt Geschäftsführer Christian Knechtel, wie Schwierigkeiten beim Auslandsgeschäft überwunden werden können.



Herr Knechtel, mit welchen Hürden hatte Ihr Unternehmen bei der Expansion im Ausland in erster Linie zu kämpfen?

Christian Knechtel: Ein wesentlicher Punkt ist der Marktzugang. Mit welchen Menschen kann ich potenzielle Kunden erreichen, wie sieht der Vertrieb aus? Zudem muss eine entsprechende Organisation aufgebaut werden. Regulatorik und Finanzierung sind neben dem operativen Tagesgeschäft sicherlich weitere Herausforderungen. In größeren Märkten wie China und Nordamerika kommt die Frage hinzu, wie eine eigene Wertschöpfung aussehen kann, um den politischen Rahmenbedingungen zu entsprechen.

Welche Länder sind besonders schwierig?

Christian Knechtel: Momentan ist das insbesondere China aufgrund der Unsicherheiten im Welthandel. Grundsätzlich gilt allerdings, dass es immer schwieriger wird, in diesen Regionen passende Mitarbeiter zu finden – nämlich solche, die auch einem relativ kleinen Unternehmen gegenüber loyal sind.

Was wünschen Sie sich von Banken und Politik als Unterstützung für das Auslandsgeschäft?

Christian Knechtel: Für uns ist es wichtig, eine Bank als Partner an der Seite zu haben, die sowohl über die notwendige Branchenkompetenz verfügt als auch unser Geschäft und unser Geschäftsmodell versteht. Zudem ist für uns nicht nur die Working-Capital-Finanzierung wichtig, sondern auch die von Wachstum. Bei all diesen Punkten hat die Commerzbank, die uns seit vielen Jahren begleitet, einen sehr guten Job gemacht.

Von der Regierung wünsche ich mir heute eine deutlich stärkere Industriepolitik, um den großen Unsicherheiten, z. B. durch Handelskonflikte, entgegenzutreten. Europa muss sich deutlich strategischer auf die künftigen Wachstumsmärkte ausrichten. Außerdem sollte es beim globalen Handel mehr Erleichterungen auf administrativer Seite und mehr Sicherheit und Transparenz in steuerlichen Fragen geben.

Welche Bedeutung hat das Auslandsgeschäft aus Ihrer Sicht für den deutschen Mittelstand?

Christian Knechtel: Für unser Unternehmen ist das internationale Geschäft sehr wichtig. Damit die europäischen Unternehmen im Welthandel erfolgreich sein können, ist eine starke europäische Industriepolitik nötig. Dies ist insbesondere für die Themen der Megatrends wie Energiewandel (Batterie, Brennstoffzelle etc.) wichtig.